memorandum

Die Bedeutung der Fotografie ist für Gaby Kutz essentiell, ohne Fotografie hätte ihre Malerei eine gänzlich andere Ausrichtung. Die Fotografin in ihrem Kopf begleitet sie, sie ist der Filter, der die Motive auswählen lässt in einer Zeit extremer Bilderflut.

Helga Schmengler

"Leipziger Montagsdemonstration", Vierteilig, je 70x70 cm, 2019/20

Sie schöpft behutsam und bedacht aus einem uns allen verborgenen Reservoir politischer Bilder und holt Szenen ans Licht – und zwar an ein neues Licht -, die wir, wie bei Warhol, alle kennen, von denen wir aber, anders als bei Warhol, gar nicht mehr wussten, dass wir sie alle kennen.
Wenn dieser also Ikonen in die Massenkultur holt, dann macht Kutz uns durch ihre archäologische Malerinnentätigkeit erst klar, dass es sich eigentlich, bei richtigem Licht betrachtet, um bildliche Ikonen handelt. Ikonen, an denen als Zeitgenossen mutmaßlich vorbeigeschaut haben und deren bildprägende Gewalt, deren wahrnehmungsformende Kraft, deren politikmächtige Formation uns seinerzeit nicht bewusst geworden ist. Dies gelingt erst durch die Anstrengungen der Künstlerin. In diesem Sinne also schafft Gaby Kutz mit ihren Bildern politische Ikonen.

"Tag der Deutschen Einheit", Öl auf Leinwand, 45x180cm, 2019

Die Malerin Gaby Kutz betreibt mit ihren politischen Bildern ikonographische Archäologie: Verlorene Bilder, verlorene Augenblicke, die wir alle kennen, die aber in den Bilderfluten unserer Gegenwart versunken waren, holt sie hervor, hebt sie heraus, deutet sie.

Dr. Andreas Graf

"Mauerfall, 9. November 1989", Diptychon, Öl auf Leinwand, je 110x85cm, 2015/16, Privatbesitz

„Die Wirklichkeit entgleitet so rasend schnell, dass man sich nur an den Kopf greifen kann. Die Fotografie ist ein Mittel, diese Erscheinung sichtbar zu machen. Sie hält den flüchtigen Moment und verewigt; es ist eine Verdopplung des Lebens. Etwas, das uns entgleitet, wird dadurch aufbewahrt, es ist ein Abdruck dessen, was dahingleitet. Das ist so ähnlich wie bei den Fußspuren von Steinzeitmenschen, sie interessieren mich mehr als die aufgefundenen Gebisse oder Schulterknochen. Die Fußspur ist mehr. Es ist, als sei das gestern gewesen. Die Fotografie hält einerseits die Gegenwart fest und holt andererseits die Vergangenheit in die Gegenwart zurück.“

Zitat des Schriftstellers Walter Kempowski, 1982, publiziert in der Zeitschrift „Fotogeschichte“, das die Kunsthistorikerin Helga Schmengler für ihre Einführung zur Ausstellung „memorandum“  verwendete

Zum Werkverzeichnis

"Wahlkampfreise", Öl auf Leinwand, 70x100 cm, 2016, Privatbesitz
"Wahlkampf in Niedersachsen", Öl auf Leinwand, 70x100 cm, Privatbesitz
"Urlaub in Norwegen", Öl auf Leinwand, 70x130cm, 2014

Ihre Bilder sind nicht satirisch, nicht ironisch, sie sind nicht entlarvend, nicht verletzend, sie gerieren sich nicht in einem überkommenen Agitprop-Jargon (wie etwa Immendorf in den 1970ern), sie karikieren nicht, sondern sie sind offen konzipiert: Sie bieten ein Deutungsangebot, ein psychologisches, ein politisches, unter Umständen sogar ein psycho-analytisches, etwa die Bilder mit dem „falschen Freund“.

Dr. Andreas Graf

"Grenzsoldat, 1990", Öl auf Leinwand, 80x120cm, 2019